TAG 1

Der etwas andere Charterbericht einer Familie beginnt mit dem Anflug auf Lanzarote. Sonne, schwarze Felsen und die unendliche Weite des Atlantiks. Wir können es noch nicht so ganz glauben. Wir haben es tatsächlich geschafft. Reisen ist zwar erlaubt, aber es herrschen strenge Testauflagen in Frankreich, wo wir wohnen, und auf Lanzarote, wo die Corona‐Warnampel bei unserer Ankunft im Februar 2021 auf ‚braun‘ steht.

Aber auf dem kurzen Weg vom Flughafen zu der Marina Lanzarote entlang der Blumen‐ und Palmen umsäumten Strassen verblassen die vorherigen Anstrengungen und Bedenken. Jan von Lava‐Charter empfängt uns in einer menschenleeren Marina und sorgt gleich für Urlaubsstimmung. Mehr als 50 Emails haben wir über die letzten Monate mit ihm ausgetauscht. Mal sah es gut aus mit der Reise, mal weniger. Nun sind wir aber hier und trinken erstmal einen Kaffee zusammen. Unser Boot heisst Pitufo, eine Bavaria Cruiser 37. Pitufo heisst Schlumpf auf spanisch. Sie kommt uns nicht wie ein Schlumpf vor, zumal wir als dreiköpfige Familiencrew mit meiner Frau Indra und meinem 12‐jährigen Sohn Balthasar, sonst ein, zwei Bootsklassen kleiner chartern. Aber in diesem Revier waren wir dann doch froh, dem Atlantik ein bisschen mehr entgegenzusetzen.

Jan zeigt uns den Salon. „Das ist ja schon Overkill für drei Personen“, kommt es aus mir heraus. Jan unterdrückt sich professionell das Lachen. Das Schiff wirkt wie neu und ist deutlich besser ausgestattet als das typische Mittelmeer‐Charterschiff. Der Tintenfisch mit kanarischen Kartoffeln zum Abendessen ist köstlich. Restaurants sind auf der Insel geöffnet. Nach 18 Uhr allerdings nur zum Mitnehmen. Aber wozu hat man denn auch den grossen Salon?

TAG 2

Den ersten Morgen lassen wir ruhig angehen. Frühstück an Deck in der Sonne, Sicherheitseinweisung, einen Schnack mit den Bootsnachbarn der Yachtschule, dann das erste Ablegemanöver. Sofort fallen die breiten Gassen auf. Im Mittelmeer wäre das Ablegen bei dem ablandigen Wind nicht so entspannt gewesen.

Im Hafenbecken fahren wir an TUI’s Superdampfer „Mein Schiff 2“ vorbei. Ein paar verlorene Gestalten mit Masken winken uns sehnsüchtig zu. Gleich hinter der Hafenmole begrüsst uns der tiefblaue Atlantik. „Schon anders“, kommentiert Indra die nun spürbare Atlantikwelle. Der Wind ist mit 16 Knoten perfekt, kommt aber direkt von vorne. Das lange Kreuzen ist bei dem Seegang noch ungewohnt und nicht gerade magenverträglich. Unterdeck‐Aktivitäten sind erst einmal nicht angesagt. Bei dem überwältigenden Blick auf die wilde Nordküste Lanzarotes treibt uns aber auch nichts unter Deck. Die Wellen nehmen Richtung Nordspitze auf 2 1/2 Meter zu. Während Indra und ich tapfer auf unseren Ingwerwurzeln kauen, begeistert sich Balthasar sichtlich an dem WellenSchauspiel. Von Seekrankheit keine Spur. Zumindest ein wahrer Blauwassersegler in der Familie! Erst bei Sonnenuntergang umrunden wir die Nordspitze Lanzarotes mit dem imposanten Farion de Afuera.

Uns eröffnet sich ein wahrlich grandioser Blick auf die Insel la Graciosa und die Steilküste Lanzarotes im Abendrot. Das hätten wir vor 48 Stunden noch nicht glauben können! Die Anfahrt nach Sonnenuntergang auf den dunklen Hafen von Caleta del Sebo gestaltet sich als unübersichtlich aber durchaus machbar. Wie überall in dem Revier wird uns von dem Hafenpersonal und anderen Seglern tatkräftig beim Anlegen geholfen.

TAG 3 UND 4

Erst am nächsten Morgen sehen wir, wie genial schön der Hafen von Caleto del Sebo ist, eingerahmt von der imposanten Steilküste Lanzarotes auf der einen Seite und dem malerischen Dorf mit seinen flachen, weissen Häusern und den sandigen Gassen auf der anderen. Hinzu kommen 23 Grad, blauer Himmel und Sonne nicht schlecht für Februar! Die zwei langen Schwimmstege der Marina sind nur zur Hälfte mit Segel‐ und Fischerbooten gefüllt. Einheimische und Weltumsegler, die hier beschaulich die Pandemie aussitzen, bilden eine nette Gemeinschaft, in der man sich schnell aufgenommen fühlt.

Caleto del Sebo erinnert mich an alte Kunstfilme aus den 50er Jahren. Die Pandemie scheint den Ort aber nicht weiter verändert zu haben, zumal hier die Zeit ohnehin stehengeblieben ist. Der Unterschied macht sich dann aber an den Naturstränden bemerkbar. Diese gehören meiner Meinung zu den schönsten der kanarischen Inseln und sind sonst ein Magnet für Tagestouristen aus Lanzarote. „Dürfen wir denn hier sein?“, fragt Balthasar, der sich über die kilometerlangen Sandstrände ohne Menschen wundert. An die einsame Schönheit muss man sich erst einmal gewöhnen. Am späten Nachmittag ändert sich das Wetter schlagartig und innerhalb von Minuten liegt eine rötliche Dunstschicht über der Insel. Der Calima ist da. Ein warmer Wüstenwind, der Saharastaub von Afrika herüberweht, aber besser als sein Ruf ist. Meistens jedenfalls.

Ich bin am Grübeln. Sollen wir noch einen Tag länger bleiben? Immerhin sind es zwischen la Graciosa und der Marina Rubicon an der Südspitze Lanzarotes 40 Seemeilen ohne Ausweichhafen. Der südwestliche Calima kann sehr böig werden und die Küste sieht man im Dunst auch nicht richtig. Aber einen weiteren Segeltag verlieren? Indra ist da wenig grüblerisch:

„Natürlich bleiben wir hier. Was sollen wir uns im Staub auf dem Atlantik herumwehen lassen wenn es hier so schön ist?“ Balthasar freut sich auch über den zusätzlichen Tag auf La Graciosa, weil er nun endlich im geschützten Hafen das Standup‐Paddle ausprobieren kann.

Schiffsverkehr gibt es kaum, allerdings wird er von den starken Böen unter lautem Fluchen immer wieder an die Schiffe getrieben. Am nächsten Tag ist der Dunst fast abgezogen, der böige Wind hält aber noch an. Wir geniessen den Tag am Strand und in dem einzigen Restaurant der Insel, welches geöffnet hat.

Der segel‐ambitionierte Skipper sollte es sich lieber überlegen, La Graciosa mit Familie anzulaufen – zu gross ist die Gefahr, dass aus dem Zwischenstopp mehrere Inseltage werden… es ist einfach zu schön da oben!

TAG 5

Am nächsten Morgen geht es zurück nach Lanzarote. Wetter und Seegang habe ich wegen des Calimas genau verfolgt, zumal es zwischen Caleta del Sebo und der 40 Seemeilen entfernten Marina Rubicon an der Südspitze Lanzarotes keinen Ausweichhafen gibt. Aber es hätte nicht schöner sein können. Mit den

letzten Ausläufern des Calimas rauschen wir bei 18 Knoten halben Wind die Küste entlang, vorbei an dem berühmten Nationalpark Timanfaya und den Felsen von Los Hervideros, wo die Brandung an den Lavaklippen emporschiesst. Die teils starken Böen schluckt die Pitufo tapfer, werden ihr aber dann doch zuviel und lassen uns noch ein Reff reinnehmen. Auf den vierzig Seemeilen sehen wir nicht ein einziges Schiff, noch nicht einmal am Horizont. Die Beklommenheit wandelt sich schell in ein Gefühl von unendlicher Freiheit. Der Leuchtturm von Punto Pechiguera, der die Südspitze von

Lanzarote markiert, ist schneller erreicht als uns lieb ist, und wir bereiten uns auf die Anfahrt der Marina Rubicon vor. In der Marina dürfen wir mondän in einer Box für Grossschiffe anlegen, direkt neben einem Ausflugsdampfer. Balthasar ist enttäuscht: „Da trampeln uns doch die Touris morgen früh übers Boot!“. „No pasa nada“, winkt der Hafenmeister ab. Das Schiff ist vor vier Wochen das letzte Mal bewegt worden. Wir laufen durch die blumenverzierte Marina Rubicon, vorbei an Bekleidungs‐ und Souvenirläden. Allesamt luxeriös.

Allesamt geschlossen. Ohne Menschen fühlen wir uns in der einheitlich gestalteten Marina wie in der Computersimulation eines Architekturbüros. Wir melden uns beim Marinabüro an. Die Freude ist gross: „Pitufo is back! Welcome! So nice to see you!“ Wie so oft diese Woche fühlen wir uns als Vorboten einer besseren Zeit. Es gibt sie noch, die Touristen! Abends halten wir Ausschau nach einem Restaurant, dass geöffnet sein könnte. Wir sehen eine handvoll Menschen neben einer grossen Menükarte stehen. Unter den Masken hört man ausschliesslich französisch, was ja durchaus zum Studium einer Menükarte passt. Mit Bärenhunger ordern wir gefühlt die halbe Karte zum Mitnehmen. Das Abendessen auf dem Schiff fällt so deutlich besser aus, als man es von der eigenen Bordküche gewohnt ist. „Superlecker! Da gehen wir morgen mittag wieder hin“, begeistert sich Indra. Nicht, dass wir die Wahl hätten… Aber wozu braucht man auch immer die Wahl, wenn es gut ist, wie es ist.

TAG 6

Am nächsten Morgen müssen wir uns um die PCR Tests kümmern, eine Voraussetzung für die Wiedereinreise nach Frankreich. Uns wurde das Biolab in Puerto del Carmen empfohlen, zumal es die 48‐Stunden Bearbeitung des Testes garantiert. Nach 30‐minütiger Taxifahrt treffen wir um 9 Uhr auf eine lange Schlange mit vielen bekannten Gesichtern von dem Hinflug aus Paris. Gegen Mittag sind wir wieder in der Marina. Ein halber Tag geht so verloren. Aber das ist der Preis, den wir gerne für das Privileg zahlen, überhaupt während einer Pandemie Urlaub machen zu können. Das Restaurant von gestern ist nun gut besucht, zumal man Mittags auf der Terrasse servieren darf. Es stellt sich ein Gefühl von Urlaubsnormalität ein.

Wir bestellen Paella. Der Kellner ist überglücklich. Wir warten lange, aber sie ist köstlich. Dinge, die nicht selbstverständlich sind, geniesst man ja bekanntlich umso mehr. Das Motto dieses Segeltörns. Indras und Balthasars Begeistung, heute noch zu den Papageienstränden ‚um die Ecke‘ zu segeln, um dort zu ankern (soll ja ein Höhepunkt sein), hält sich in Grenzen. Sie wollen lieber die Gegend zu Fuss erkunden und zu den Papageienstränden laufen. „Hattest Du nicht auch gesagt, dass der Calima zum Ankern von der falschen Richtung blässt?“ ‐ „Der schläft heute Nacht wohl ein. Laut Vorhersage jedenfalls. Gegen Mitternacht oder so.“ Ich klinge wenig überzeugend. Von der Marina führt ein Steilklippenweg mit Panoramablick Richtung Fuerteventura direkt zu dem Naturschutzgebiet San Marcial del Rubicon mit seinen wunderschönen Naturstränden. An dem bekannten Strand Playa Mujeres verlieren sich gerade mal drei Familien in der Nachmittagssonne. Die Stimmung könnten schöner nicht sein. Tatsächlich ankert ein Segelschiff vor dem Strand. Der Calima ist bereits eingeschlafen. Hätte man doch mal… Egal, auch so wunderschön.

TAG 7

Nun kommt schon unser letzter Schlag von Marina Rubicon zurück zur Marina Lanzarote in Arrecife. Der Atlantik zeigt sich von seiner ungewohnt zahmen Seite. Die See ist ruhig und wir kreuzen gemütlich gegen die 10 Knoten Wind an. Das einzige Schiff, das wir sehen, ist die Küstenwache, die erst misstrauisch, dann freundlich winkend dicht an uns vorbeifährt. Fünf Seemeilen vor Arrecife schläft der Wind dann gänzlich ein. Das erste Mal, dass wir in dieser Woche motoren müssen. Die Bootsrückgabe gestaltet sich als ungewohnt entschleunigt. Vier Marina‐Angestellte helfen uns beim Tanken. Im Mittelmeer sind es meist vier Boote pro Angestellten. Wir quatschen uns beim Tanken fest. Eile besteht nicht, zumal wir wohl die einzige Kundschaft heute sind. Jan freut sich, dass alles gut verlaufen ist. Wieder quatschen wir uns fest. Balthasar ist gelangweilt vom Erwachsenengerede, woraufhin Jan ihm die Schlüssel zu den anderen Charterbooten gibt, um diese auszukundschaften. Überglücklich zieht er ab und ist lange Zeit verschwunden. Wir feiern mit der Nachbarcrew des Schulungsschiffes zum bestandenen Yachtmaster. Wir kommen noch rechtszeitig, um in dem Marinarestaurant sogar am Platz essen zu können. Purer Luxus für uns. Dazu gibt es noch Pizza mit Datteln nach Lanzaroter Art.

Insgesamt waren es 110 Seemeilen, um einmal um Lanzarote herumzusegeln. Aus den potentiell sechs Segeltagen sind allerdings drei geworden. Das ist für den ambitionierten Chartersegler hart. Wenn man schonmal auf das Wasser darf… Auf der andere Seite habe ich beim Familiensegeln sehr schnell gelernt, kein Pflichtprogramm durchzupeitschen, um bloss alle Höhepunkte und Meilen mitzunehmen. Das kann man einmal machen. Das nächste Jahr sollte man sich dann aber nicht wundern, wenn es Urlaub auf dem Bauernhof wird. Dies gilt insbesondere für die Kanaren. Es bleibt ein Hochseerevier. Aber wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, kann daraus ein unvergessliches Segelerlebnis für die ganze Familie werden. Die Pandemie hat uns dabei geholfen, uns auf den Moment einzulassen, und einfach nur das zu geniessen, was möglich ist, ohne vorgefertigten Erwartungen hinterherzujagen. Für uns wird diese Woche somit für immer als ein ganz besonderes Familienerlebnis in Erinnerung bleiben.

Wir bedanken uns bei dieser tollen Familie ganz herzlich für diesen tollen Törnbericht und freuen uns Euch bald wieder bei uns zu sehen!

Handbreit und viele Grüße,

Euer Lava Charter Team

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